8 Jul 2015

Klosterregeln als Hilfestellung für Ihren Alltag?

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Zum Pauken ab in die Abtei? – Ich bin dann mal weg…

Was bisher nur für Burn-Out-geplagte Top-Manager/innen oder agnostische Sinnsuchende infrage kam, ist auch für Studierende und Absolventen/innen nicht mehr ungewöhnlich: Ruhe und Abgeschiedenheit, weder Internet noch Fernsehen, drei feste Tagesmahlzeiten und der Fokus auf sich selbst – All das findet man für wenig Geld z.B. beim Orden der Benediktiner. Christlicher Glaube oder Bekehrungswille sind keine Voraussetzung, sofern man sich an die internen (aber nicht allzu strengen) Klosterregeln hält. Gerade vor der Prüfungsphase oder Abgabedeadlines hat die kontemplative Flucht vor der Weltlichkeit auch ganz praktische Vorzüge – Man muss ja nicht gleich das Mönchgelübde ablegen!

 

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Regula Benedicti – Eine fast 1000 Jahre alte Achtsamkeitshilfe
Ora et labora“ kennen die meisten sicher, und fragen sich: „Was soll mir das helfen?“ Arbeiten tun wir fast alle, ob im Studium, im Job, ehrenamtlich oder beim Kindererziehen… Und Beten scheint in Zeiten der Patchwork-Spiritualität nur noch wenig sexy. Eine christliche Antreiber-Formel also? Mitnichten… Fernab kirchliche Arbeitsethik geht die Regel nämlich weiter mit „…et lege, deus adest sine mora!“, d.h. dass lesen, sich bilden, reflektieren und sich persönlich weiterentwickeln (mindestens) genauso wichtig ist. Bei all dem was du tust, ist außerdem (in diesem Falle der christliche) Gott immer dabei, hilft und unterstützt dich.

Am Anfang steht also das Danken (Ora), denn ein Gebet ist erst einmal nichts anderes als eine rituell erkenntliche Zuwendung an ein transzendentes Wesen. Für Christen und Juden ist es das Beten zu Gott, eine/e Hindu macht Bhakti-Yoga und ein gläubiger Muslim praktiziert täglich das Salāt gen Mekka. Ich selbst als Atheist danke keiner übernatürlichen Gottheit, sehr wohl aber z.B. der Natur (für die schönen Momente wie frische Luft, herrliche Platzregen, tolle Wanderwälder und das biologische Wunder des Lebens), Freunden und Familie (für Unterstützung, das Sich-Verlassen-Können, viel Spaß etc.) und manchmal auch: Mir selbst! Ohne sich für den/die eingebildete/n Überflieger/in oder den Held vom Erdbeerfeld halten zu müssen, schadet es nicht, sich ab und zu ehrlich vor Augen zu führen, was man so alles erlebt und verarbeitet, durchgestanden und gemeistert, erfahren und gelebt hat – Auch in jungen Jahren oft gar nicht mal so wenig.

Danach kommt das Tun (Labora), also die Tat. Oftmals denken wir „Oh Mann, morgen schmeiße ich meinen ***Job hin!“ und quälen uns trotzdem munter weiter mit Schein-Rechtfertigungen à la „Ist ja doch nicht so schlimm“ oder „Ich brauche halt das Geld und die Sicherheit“ (die WAS, bitte?). Gleiches kann fürs Studium gelten. Statt etwas (manchmal anstrengend) dafür zu tun, die eigene Situation zu verbessern, leben wir auf Kosten einer nicht vorhandenen Zufriedenheit, machen also „Lebensschulden“, die wir nicht zurückzahlen können. Ein Privatkonkurs der Lebenszeit. Rationales Gegeneinander-Abwägen ist an sich eine tolle Sache, stützt sie u.a. doch unser auf Ausgleich angelegtes Rechtssystem genauso wie die naturwissenschaftliche Forschungsmethodik. Wir selbst nutzen es leider oft zur Unproduktivität, vorgespielter Gelassenheit und verhindernden Bedenkenträgertums. Die Tat, auch eine nicht bis ins Details analysierte und verobjektivierte Handlung, hingegen verändert „tat“-sächlich direkt etwas, in der Außenwelt und in unserem Denken. Benedikt von Nursia wusste das.

Zuletzt kommt das Sich-Bilden (Lege), d.h. nicht auf der Stelle zu treten, die Welt die Entscheidungen für sich selbst treffen zu lassen, auf Möglichkeiten zu warten statt sich selbst Chancen zu erarbeiten und diese zu ergreifen. Bei all dem ist man nie allein: Die Gottgläubigen haben bereits ihren Beschützer im Himmel mit dabei, ich persönlich habe zumindest mich selbst: „cogito, ergo sum“. Augenblicke, die ich erlebt habe, Menschen und Dinge die ich geliebt habe, Freude und Glück, das ich erfahren habe, kann mir nichts und niemand auf der ganzen Welt wieder nehmen (es sei denn, ich lasse es zu indem ich es vergesse oder als unwichtig abwerte). So wie Führung im Job zunächst einmal Selbstführung ist, bedeutet Achtsamkeit zunächst einmal solche gegenüber mir selbst!

 

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Demut statt Demütigung – Persönliche Ziele erreichen

„Der erste Schritt zur Demut ist Gehorsam ohne zu Zögern!“ Die Benediktiner meinen damit nicht etwa die bedingungslose Unterwerfung unter die behördliche Hierarchie, den kapitalistischen Konsumterror oder den moralisierenden Zeigefinger des Ethikprofessors. Vielmehr ist die innere Demut als Haltung angesprochen, zu akzeptieren, dass es etwas Unerreichbares, Höheres und Unbekanntes gibt, dass wir alle (derzeit jedenfalls) weder ganz verstehen noch beeinflussen können.

Wie genau ist das Universum aufgebaut? Wie lebe ich richtig? Was ist schön und was nicht? All diese Fragen kann und muss niemand abschließend beantworten können, und das ist gut so: Zum einen weil es immer noch etwas zu entdecken und weiterzuentwickeln gibt, zum anderen, weil es (korrekt verstanden) eine unglaubliche persönliche Last nimmt von meinen Schultern. Ich bin nicht für alles in meinem Leben verantwortlich, ich kann nicht alles planen und determinieren, ich mache Fehler und Dummheiten, weil ich es nicht besser weiß – Na, und? Das ist für Benedikt von Nursia wahrer „Gehorsam“, nicht den/die Besserwisser/in und Alleskönner/in zu mimen (auch nicht mit aufgesetztem Montagsgrinsen wenn mir nicht danach ist und nicht mit Pillen, um im Job zu genügen und leistungsgerecht zu funktionieren!).

Zu akzeptieren, dass wir keine Hochleistungswesen aus Hochglanzbroschüren sind und es nicht DEN geraden Weg für jeden gibt, ist ebenso wenig einfach wie die eigene Person, meine höchstpersönliche Meinung und persönliche Eitelkeiten für nicht immer allzu wichtig zu halten. Meine Ziele im Leben, egal ob beruflich oder privat, erreiche ich nicht mit Verbissenheit und Effizienz sondern mit kontinuierlicher Arbeit an mir selbst und dem Kalkül, hin und wieder zu scheitern! Mit Demütigung hat ein solches (akzeptiertes) Scheitern nichts zu tun, mit Demut allemal.

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„Am Anfang war das Wort…“ – Schweigen ist (manchmal) Gold

Das Schweigegelübde dient ähnlich dem einsamen Leben in der Mönchszelle dazu, um zur Ruhe zu gelangen und ganz frei und „leer“ für Gott zu sein. Nicht der Kommunikation an sich ist hier der Kampf angesagt, ganz im Gegenteil. Wer schon einmal in einem solchen Kloster war, stellt schnell fest, dass die Mönche sehr wohl und sehr gezielt miteinander kommunizieren. Vielmehr dem Plappern, dem nichtssagenden Gequatsche und dem ablenkenden, unfokussierten Small Talk gilt dies. Eher sub-relevante Facebook-Postings drüber, was ich gerade gegessen habe oder über das 300ste (süüüüße) Katzenvideo mögen für Benedikt von Nursia noch unvorstellbar gewesen sein – Erstaunt hätte es ihn aber sicher nicht.
Sich selbst zu hinterfragen, was man wirklich zu sagen hat, hat viel damit zu tun, was man in sich spürt: Was sind meine Talente, d.h. womit fühle ich mich wirklich gut, habe Spaß daran und kenne ich aus; und was fachsimpele ich einfach nur nach, weil es auf der Networking-Party peinlich sein könnte, als unwissend dazustehen oder im Bewerbungsgespräch unumwunden zuzugeben, dass man davon ehrlich noch nie gehört hat?

Was will ich wirklich in meinem Leben, sind meine persönlichen Ziele und was (nur) die Erwartungen meiner Eltern, die Ansprüche der Gesellschaft oder der Vergleichsmaßstab im Karrierefreundeskreis? Manchmal hilft die innere Stille und auf die berühmte „innere Stimme“ meiner Persönlichkeit zu hören – Sie mag leise sein, aber deutlich hörbar!
Wer mehr zum Thema „Klostererfahrung“ lesen möchte, kann das u.a. HIER tun. Oder bei einem unserer spannenden Workshops vorbeischauen!