Part Time Leadership – Ein (halbes) Coming back und sein Ende
Nach dem Job ist vor dem Job – Startklar und Finaltrüb
Jetzt war ich wieder da! Schon einmal (Vollzeit-) Führungskraft in der Univerwaltung gewesen, vieles gelernt (vor allem über mich selbst) und letztlich gesagt: Das wirklich nie wieder! Nun erwartete mich eine neue Arbeitsstelle, oder eigentlich erwartete ich sie: Wieder Führungskraft, wieder Budget, MitarbeiterInnen, wieder im Studienservicebereich… Aber diesmal Fakultät statt Hauptverwaltung, diesmal nur drei Tage die Woche, eben part time statt full time.
Sicher kannte ich die Abläufe, wusste um die Menschen und die „besondere“ Unternehmenskultur dieses Soziotops Universität. But that was exactly the challenge! Gegangen bin ich zuvor einst, weil ich meinen Job liebte – die Studis, die Hochschulbildung mit all ihren Macken – und unter diesen Arbeitsbedingungen nicht guten Gewissens weiter machen konnte. Wollte nicht irgendwann abgestumpft Dienst nach Vorschrift absitzen, um mich selbst zu schützen. Mich nicht wie einer dieser BürokratenInnen in schlechten Beamtenwitzen eines Morgens vor dem Spiegel begrüßen.
Wie Heinrich V. suchte ich am Abend vor der Schlacht meines ersten Arbeitstages meine Gedanken als treueste KampfgefährtenInnen auf, die sich in Minderzahl am Lagerfeuer der Zuversicht wärmten. Inkognito hielt ich Zwiesprache mit mir, versuchte herauszufinden, ob ich ja alles bedacht hatte oder in die elterntypische Belehrungspfütze á la “Hätt‘ ich dir gleich sagen können!” tappte. Ungeschminkte Gedanken konnte ich mir wohl abschminken. Manche eiferten “Mutig, aber wird sicher alles ganz anders als beim letzten Mal!”, andere entgegneten: “Gleiche KöchInnen in der gleichen Küche bedeutet gleiches Essen, egal auf welchen Tellern serviert!” Ich glaubte, meine Gedanken hatten Shakespeares König schnell erkannt – Nur jene nicht, die leise im Schutze der kalten Dunkelheit wisperten, wo ich sie verschwommen sehen und bloß schlecht hören konnte.
Angst vor Flashbacks – Und da kam schon der erste!
Jetzt war ich wieder da, war willkommen geheißen worden, hatte fähige KollegInnen, eine sehr nette Vorgesetzte und motivierte MitarbeiterInnen. Insofern passte eh alles. Fast…
Weder Übergabe noch vollständige Einarbeitung. Damals wie heute, Zufall? Ich tröstete mich damit, dass niemand was dafür konnte (wirklich nicht?), dass mein/e AmtsvorgängerIn eben nicht mehr da war, etc. Ich tröste mich damit, dass sich auf Unbekanntes einzustellen, auch bei fehlenden Infos Entscheidungen zu treffen und zu improvisieren zum Profil einer jeden Führungskraft gehörte. Ich tröste mich damit, dass ich nicht “frischg’fangt” daherkomm‘ sondern einen Erfahrungs- und Wissensvorsprung habe, mehr als z.B. jemand von außen. Ich tröste mich… Aber wenn es o.k. gewesen wäre, warum hätte es dann überhaupt eines Trostes bedurft?
“Kennst dich ja eh aus!”, sagte niemand, aber schien ich in den Augen Vieler abzulesen, wie in einem dieser angeblich “selbsterklärenden” Leitfäden für SAP-Neuerungen oder i3v-Schulungen, an denen ich regelmäßig verzweifelte. Ein Kasten voll ungeordnetem Zettelwust und ein kurzer Übergabeauszug begrüßten mich oben im Neuen Institutsgebäude der Uni Wien.
Zeitmanagement – Nur was für Schwache?
Jetzt war ich wieder da, halbtags ausverhandelt auf nur drei fixe Tage, um daneben unser Startup – die ABSOLVENTENAKADEMIE – weiterführen zu können. Der Plan war gut, mit allen besprochen, an der Fakultät, in meiner Firma, den MitarbeiterInnen und KollegInnen kommuniziert. Trotzdem landeten Emails und Dokumente bei mir donnerstagsabends (mein letzter Wochentag), wohlwissend, dass sie frühestens dienstags gelesen werden sollten (mein erster Wochentag). “Es braucht Zeit, dass sich das einpendelt!”, munterte ich mich zwischenzeitlich oft auf und glaubte mir nicht.
Ich fühlte mich oft anti-kollegial, wenn Besprechungstermine fixiert werden wollten und ich meist nicht konnte und um Verlegung bat, weil ich nicht dauernd an meinen “Firmentagen” reinspringen mochte. “So oder so ähnlich muss es alleinerziehenden Elternpaaren gehen!”, schämte ich mich ein bisschen, da ich erst jetzt begriff, dass es oft gar nicht auf die Terminfindung ankommt, die bei verständnisvollen KollegInnen und Vorgesetzten klappen sollte und auch in meinem Fall letztlich meist klappte. Vielmehr war es die Rechtfertigungsposition, die Bremser-Attitüde, die Verkomplizierungsunterstellung, die ständig mitschwang und mich traurig machte. Selbst Schuld? Klar, wenn man unbedingt zwei Jobs haben wollte…
Noch schlimmer aber: Ich passte mich sukzessive an, ohne es zu überzuckern, las freitagsmorgens Uni-Emails wie selbstverständlich, beantwortete diese oft sogar und fühle mich danach …schlecht. Als Trainer der Erwachsenenbildung probierte ich schon die Tools an mir aus, die ich sonst in der ABSOLVENTENAKADEMIE unterrichtete, gab meinem Fehlverhalten einen bewusst ekligen Namen, um es zu versinnbildlichen, schneller zu erkennen und ihm mental zuzurufen “Verschwinde! Du bist heut‘ nicht erwünscht!”. Aber schneidet ein/e FriseurIn sich selbst die Haare, amputiert ein/e ChirurgIn sich das eigene Bein?
Generation Why – Über Mythos und Logos
Jetzt war ich wieder da, aber nicht drei Tage hier und die anderen dort, sondern stets multidimensional im Geiste. “Work-Life-Balance ist Kinderkram!”, schreie ich vom Siegerpodest herab, dass ich fast täglich neu zu erklimmen versuchte, nein: wollte. Mit jeder gewonnen Medaille um den Hals wurde es mühsamer, zog das klappernde Gold nach unten und schnürte den Atem ab. Statt Job und Freizeit gescheit abzugrenzen, hatte ich zwei Jobs, Partnerschaft und Freunde, viele Freizeiten, publizierte und forschte, tat und machte… Und ich war nicht allein: Wir werden täglich mehr. Die Generation der Digital Natives lässt den Raumbezug im modrigen Cybernet versumpfen, verbindet Sicherheitsdenken mit Selbstverwirklichung, stellt Ansprüche – Vor allem an sich selbst! Ich „alter Sack“ fühlte mich jetzt wieder ein bisschen jung…
“Der Multitasking-Mythos ist längst widerlegt”, wankte ich sinnierend mit vielen To-Dos aus einem Meeting und bereitete mich schon aufs nächste vor. Wenn ich immer rational darüber nachgedacht hätte, wie ich hier – halbtags, aber rund um die Uhr – für meine Studis und MitarbeiterInnen da sein wollte, wäre ich vermutlich depressiv geworden. Wie mit Stofftieren hantierte ich herum, konnte aber nicht alle gleichzeitig knuddeln. “Keine halben Sachen!”, versuchte der Volksmund mich auf die Wange zu küssen, als wäre ich ein naiv-lächelndes Mädi mit Zahnlücke und Zöpfen. Trotzig drehte ich mich weg von der Schmatz-Schnute, ab der alte Zopf! Plan B – Wozu?
Ein Job, mein Job… – Bald bin ich wieder weg
So viele unbefristete Vollzeit- und Teilzeit-Jobs habe ich schon beendet, dass mich die auslaufende Befristung dieses einen nicht wirklich schockt. Ganz im Gegenteil: Ich kündige ihn schon einige Monate vorher, nicht weil ich masochistisch veranlagt wäre sondern die Stimmung und die Rahmenbedingungen nicht mehr funktionieren für mich. „Was wär‘, wenn sie Dir eine Verlängerung anböten?“, fragt mich ein Bekannter. Meine klare Antwort: „Trotzdem kündigen!“.
Job-Sicherheit ist ein Mythos, aber mein momentaner Lebensgenuss echt und messbar. Von den Rahmenbedingungen hatte diesmal alles gepasst. Schade eigentlich, dass andere Faktoren (strukturelle wie zwischenmenschliche) mir die Stelle mehr und mehr vermiesten. So begreife ich meinen Ausflug in die Teilzeitführungswelt als „Projekt“, aus dem ich (mindestens) zweierlei gelernt habe: Erstens, dass Part Time Leadership nicht nur die reduzierte Hälfte von allem ist sondern ganz eigene Voraussetzungen braucht, aber im Grunde eine schöne Sache ist und Führung immer noch Spaß macht – Zweitens, dass es „den“ Job vielleicht gar nicht gibt sondern alles mehr oder weniger „Projekt“ ist, irgendwann mit offenem Ausgang beginnt und irgendwann wieder endet.
Ein gemeinsamer Weg, eine zeitlich begrenzte Reise, eine Challenge!