11 Jan 2024

Co-Working, -Living & -Existing − eine (Anti-) Heldenreise

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2023 abgeschlossen, 2024 gestartet −oder doch nicht?

Weihnachten war es (wieder) soweit – bzw. sollte es zumindest sein!

Nachdem der lange geplante, gemeinsame Sommerurlaub quer durch die kanadischen Rocky Mountains den dortigen Waldbränden in Kombi mit einer unfähigen Reisevermittlungsagentur zum Opfer gefallen war, tat nicht nur irgendeine Luftveränderung dringend Not. Es sollte eine in warmer Luft mit viel Sonne sein, bestätigte mein Blick hinaus ins typisch nasskalte Grau, das sich dieser Zeit über Wien und manchmal auch die Seele legte. Gepackte Koffer und ein eVisum, ein paar Vorreservierungen bei Booking und ein gebuchtes Co-Living … − Mehr brauchte ich nicht, um mich bereit für zwei Monate voller Reisen, Co-Working und toller Begegnungen mit einer neuen Kultur in Nordwest-Indien zu fühlen. Als erfahrener Teilzeit-Digitalnomade mit Asienaffinität wusste ich um die Herausforderungen und Voraussetzungen − zumindest dachte ich dies.

Um nicht vieles aus dem letzten Jahr mitzuschleppen, hatte ich „die (augenscheinlich) großen Brocken“ noch zum Jahresende bearbeitet:

Superschönes, repräsentatives aber meist leerstehendes Büro gleich neben der Wiener Karlskirche gekündigt, obwohl die dortige Co-Working-Community echt fein war. Manuskript für ein großes Buchprojekt durchgeprügelt, obwohl der Verlag und ich ich an der Kapazitätsgrenze kratzten. Und als Senior Partner in einem Remote Team einen Modus der Zusammenarbeit für mich definiert, der weniger Kraft und Ineffizienz kosten sollte, als es mir lieb und wert ist.

Doch mietvertragliche Änderungen, redigierte Texte oder kommunizierte Abgrenzung „lösen“ natürlich nichts endgültig oder können Probleme gar ruhigstellen. Einerseits wünsche ich mir als Unternehmer in Management-Manier, etwas endlich abzuschließen und zu erledigen. Anderseits weiß ich als Trainer und Coach, dass menschliche Beziehungen u. a. von Resonanz, Kommunikationsprozessen und gegenseitigem Verständnis leben. So ratterten die Materien aus 2023 nicht nur in meinem Hirn weiter: Wie schaut mein Arbeitsplatz im neuen Jahr aus, wenn ich zurück bin in Wien? Wie vermarkten und verwursten wir das neue Buch möglichst gut nach Erscheinen? Und wie funktioniert die Zusammenarbeit im Team so, dass ein für alle akzeptabler Modus in der Praxis ausprobiert und gefunden werden kann? Es kamen auch noch neue hinzu, die − jede für sich genommen − weder besonders spektakulär noch überraschend waren, in der Summe aber zum vorzeitigen Ende der Reise nach nur zehn Tagen führten.

Abbruch mit Hindernissen & die Sache mit dem Federhandschuh

Eine schon vor Reiseantritt angefangene, zäh wachsende Verkühlung/Erkältung/Magen-Darm-Grippe (oder eine Mischung daraus?) hat mich noch nie abgehalten. Damit jedoch tagelang im Smog-verhangenen Delhi festzusitzen, ohne Husten kaum vor die Tür gehen und den Taj Mahal nur eingenebelt sehen zu können, war nicht motivationsfördernd.

Dass Inlandsflüge storniert, verlegt oder umgebucht werden, ist für Asienreisende ebenso wenig eine Seltenheit wie die mangelnde Hygiene in Unterkünften oder beim Essen aus westeuropäischer Sicht. Dass aber gleich fast alles an Flügen neu geplant werden wollte und einigermaßen akzeptable Schlafplätze kaum zu kriegen waren, hat mich erstaunt und mir gravierende Unterschiede etwa zu Südostasien aufgezeigt (meine Ansprüche sind da denkbar niedrig, und doch hatte ich einige neue Learnings). Fällt dann auch noch das fix für Business-Meetings und Online-Trainings gebuchte Co-Living plötzlich weg, gelangen Reiselust, Entdeckungsfreude und Begeisterung an die (psychischen wie physischen) Grenzen.

Das leichte Gepäck (Backpack samt Technik unter 15 kg!) wurde auf einmal schwer wie Blei, selbst wenn es nicht gebuckelt sondern ungeordnet im Zimmer verstreut war. Die Vorfreude aufs Entdecken wandelte sich zur permanenten Feuerlöscher-Umorganisationsmentalität auf Abruf. Die Möglichkeitsräume verengten sich, obwohl mir ohne Bindung an einen Ort in einem Land mit bestem Internet fast überall alles offenstand.

Es war die richtige Entscheidung, die Reise abzubrechen − trotz des Versagensgefühls, der (zum zweiten Mal hintereinander) entgangenen Urlaubsfreude, verbunden mit der Notwendigkeit, mit der Partnerin zuhause nun erneut abzustimmen, was die verfrühte Heimkehr für das Zusammenleben bedeutet. Auch hier ein Learning vorab: Kein noch so geiles Co-Living (und ich hatte schon einige!) oder aufgegangenes persönliches Arbeitsmodell ersetzt das Verständnis, die Hilfe und und Kraft von Partner:innen, Freund:innen und eine sichere „Homebase“, auf die man sich verlassen kann.

Statt in organisatorischen Vorbereitungsdefiziten oder interkulturellem Versagen zu denken, frage ich − mit einigem Abstand, ganz nach M. Gandhi − lieber danach, was ich gelernt habe und bei einem zweiten Versuch besser machen könnte. Soweit die rationale Reflexion.

Emotional hat mir Indien den Federhandschuh hingeworfen, den mein Co-Living-Herz gerne aufgreift. Anders als zu mittelalterlichen Zeiten geht es dabei nicht um ritterliche Fehde, sondern allein Selbstwert und persönlichen Stolz.
So ist das mit den Abenteuern und den Helden(reisen): Ohne Adversity geht es nicht und ohne Rückschläge ist jede Story öde und fad!„, sagte mein Freund, Kollege und geschäftsführender Vorstand Dr. Lukas Bischof darauf, der wesentlich mit dazu beiträgt, dass ich dieses Lebens- und Arbeitsmodell austarieren darf − Im November starte ich daher erneut durch, mein Indien 2.0!

Co-Working Vienna − persönliche Parameter & zwei Praxistipps

Inzwischen vollständig auskuriert wieder im (immer noch kalten) Wien musste ich mich − verfrühter als gedacht − bezüglich der hiesigen Co-Working-Szene auf den neusten Stand bringen. Ich möchte zwei Locations herausheben, an denen man mich nun künftig öfters antrifft. Wichtig waren mir dabei – neben perfektem Deutsch/Englisch der Leute vor Ort wie einwandfreiem WLAN – folgende Punkte (die sicher nicht für Jede:n maßgeblich sind):

  • Flexibel gestaltbare Tage mit ad hoc zubuchbaren Team- und Videoconferencing-Räumen, statt teurer Vollmitgliedschaften mit tausenden Features, die ich nicht brauche bzw. mitbezahlen möchte (wie etwa eine Postadresse oder eine Community-Plattform, wo ich dauernd zu gemeinsamen Aktivitäten „ge-nudged“ werde)
  • Kaffeehaus-Atmosphäre (Hat sich hier das Wienerische bereits amortisiert?) mit verwinkelten Tischen, Nischen, leiser Hintergrundmusik und leise herumwuselnden Menschen, statt multi-funktional kalter Desks-Wüsten wie in der Uni-Bibliothek oder im Großraumbüro weiß in weiß.
  • Kostenlos (frisch gemachter) Kaffee, Tee und Wasser, statt jeden Espresso einzeln abzurechnen oder alle mit mitgebrachten Dosen und Flaschen im Gemeinschaftsraum sitzen zu haben.
  • „Rezeption“/Serviceteam, dass permanent da und immer face-to-face ansprechbar ist vom Druckerstreik über ausgegangene Bio-Hafermilch bis hin zur extra Verteilerbuchse, statt einem Online-Support oder einer „Sorry, ich schließe hier nur die Tür auf“-Aushilfe.
  • Im gerade U-Bahn-Ausbau-gebeutelten, verkehrstechnisch gerne ‚mal chaotischen Wien außerdem: Direkter U-Bahn-Zugang in Laufweite, statt sich über ausgefallene Straßenbahnen und „verkürzt geführte“ Busse zu ärgern, wenn man eh schon spät dran ist.

Eigentlich gedacht als „Zuhause für Geschäftsreisende, die für einige Tage bis hin zu einigen Monaten in der Stadt wohnen wollen“ − Aber auch Einheimische sind willkommen im ZOKU in der Wiener Leopoldstadt!

(1) Zoku Vienna (U2 Messe/Prater): Eigentlich ein Hotelkonzept aus Amsterdam (der japanische Begriff „Zoku“ bedeutet so viel Stamm, Clan oder Familie) mit einem Home-Office-Hybrid Konzept − weg vom klassischen Hotelzimmer zur reinen Übernachtung. Das Rooftop hat dabei nicht nur eine tolle Aussicht mit begrünter Dachterrasse auf den Prater, sondern dient als Frühstücksraum ebenso wie stylischer Co-Working-Space. Mit 120 Euro für 6 Flexi-Tage pro Monat nicht überteuert, bedenkt man, dass darin ein 24/7-Zugang ohne Öffnungszeitenbindung direkt zum 07. Stock mit drin ist, Büromaterial wie zudem 15 % auf den leckeren Mittagsbruch frisch aus der Hotelküche.

„Verabschiede dich von festgefahrenen Arbeitsmodellen Bei uns geht’s aber definitiv nicht nur ums Arbeiten“, lockt das Ruby Paul in der Alten Post!

(2) Ruby Paul (U 1/4 Schwedenplatz): In der Wiener Postgasse gelegen, geht’s zentraler wahrlich nimmer. Zur Ruby-Hotelgruppe gehörig punktet es u. a. durch die Kaffeebar mit leckerem Triester Hausbrandt und einem coolen Vintage-Recycling-Design. Mit 110 Euro für 5 frei wählbaren Tage innerhalb von 2 Monaten super flexibel gerade für Home-Office-Menschen wie mich, denen manchmal morgens daheim spontan die Decke auf den Kopf fällt oder die bohrende Nachbarschaft zum Schreibtischflüchten einlädt.

Was sind Ihre Erfahrungen mit Co-Working & Co-Living? Wann wurden Sie diesbezüglich das letzte Mal von etwas überrascht?
Falls Sie in Wien sind: Lassen Sie uns doch (dort) einmal treffen!