19 Mai 2015

„Gehen am Strand“, aber in welche Richtung?

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Sonniger Frühling in Wien – Herbststimmung in der Seele

Anja kommt nicht von der Stelle. Es beginnt als nervige, aber an sich harmlose Prokrastination, endlich das auslaufende Diplomstudium abzuschließen. Anja wohnt derweil günstig im Altbau ihrer Tante in der Praterstraße am Donaukanal. Dort geht sie gern spazieren, im Badeschiff schwimmen oder auf ein Eis am Schwedenplatz mit ihrem Kumpel Paul. Geht Paul weg oder kommt nicht zum vereinbarten Treffpunkt, mag das Eis plötzlich nicht mehr schmecken. Anja ist oft allein, aber schlimmer noch: Sie ist einsam! Sie redet sich ein, in Paul verliebt zu sein, der sie nicht gerade anziehend findet und letztlich bloß aus Mitleid einmal mit ihr schläft – Für beide kein Genuss. Sexuelle Ersatzbefriedigung holt sie sich anonym bei einem Fremden; dass dieser ihr dafür jedes Mal Geld „leiht“, stärkt nicht ihr Selbstwertgefühl, führt aber wenigstens zur Bezahlbarkeit ihrer zweiwöchentlichen Therapiesitzungen, die ihr eigentlich nichts bringen.

Ihre „Aufschieberitis“ mutiert bald zur handfesten Schreibblockade. Nachdem auch noch ihre Großmutter am gleichen Tage stirbt, an dem diese Anja wieder einmal vergebens angefleht hatte, sie doch noch einmal besuchen zu kommen, scheint die Depression perfekt. Anja misslingt nicht nur die Aufarbeitung mit ihrem Vater, der die Familie früh verlassen hatte. Auch von ihrer Mutter hört sie nur demotivierende Standard-Parolen á la Disziplin und Fleiß. Hinter ihrer Antriebslosigkeit raschelt die existenzielle Krise im Gebüsch und lauert auf den Ausbruch.

Gehen am Strand

Anja, „Absolventen-Anna“ und ihre „Quarterlife Crises“

Caspar Pfaundlers 2013 entstandene Melodramatik liefert eine reduzierte, aber sehr präzise Studie dieses unerklärlich belastenden Stillstands, der uns von der ABSOLVENTENAKADEMIE wohlbekannt vorkommt.

Anja, die 28jährige Antiheldin des Films, klebt mit Namen „Absolventen-Anna“ populär als sog. „Persona“ lächelnd an unserem Flip-Board. „Personas“ sind fiktive Charaktere, die typische und wichtige Eigenschaften einer Zielgruppe repräsentieren – in diesem Fall (potenzielle) Hochschulabsolventen/innen. Wenn „Absolventen-Anna“, respektive Anja, sich die nackten Füße am holländischen Strand umspülen lässt oder an der spanischen Küste zeltet, scheint sie kurz die Ruhe und die Sehnsucht des Meeres zu packen. Aber nur das „Gehen am Strand“ als Entspannungstherapie oder schlicht „das Leben lockerer sehen“, wie ihr Vater es rät, helfen ihr genauso wenig wie simplifiziertes Positive Thinking. Anja wird sich schmerzhaft einer weit klaffenden Leerstelle bewusst: Dem fehlenden Selbstverständnis, „einfach sein zu dürfen”, wie sie es nennt – Wir nennen es „Quarterlife Crises“.

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„Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Weg günstig!“ (Seneca)

Dichter Hafennebel umgibt Anjas Leben, die ihre Einsamkeit intensiv wie nie zuvor als Bewegung zu sich selbst wahrnimmt. Über ein Viertel ihres bisherigen Erdendaseins scheint ihr vertan und nichts als Angst vor dem drohenden Hochschulabschluss akut. Macht Sie diesen ohnedies nur für jemand anderen, z.B. ihre promovierte Business-Mutter? Anja kommen Verdrängungszweifel, ob nicht ein künstlerisches Studium besser zu ihr gepasst hätte, wie es mit dem künftigen Traumjob ausschaut und wo ihr Platz in dieser Gesellschaft überhaupt sein soll.

Wünsche, Träume und Hoffnungen hat sie viele, aber keine echten Ziele oder gar praktische Selfcoaching Tools, diese auch zu erreichen. Anja ist intelligent, schön und eine offene Persönlichkeit. Trotzdem kriegt sie das Selbstbild von einer baumelnden, ausblutenden Schweinehälfte nicht aus ihrem Kopf, verliert sich fremdbestimmt in Lethargie. Zuletzt kauert sie unter dem Tisch, auf dem sich dämonisch die eingestaubten Bücherstapel ihrer unfertigen Diplomarbeit türmen und die aufgeschnittene Papaya vom letzten Frühstück mit Paul vor sich hin fault wie ihre Lebensfreude.

Ist es nur Anjas Problem oder das einer ganzen Altersklasse? Der Film antwortet darauf nicht, sondern zeigt Anja als Vertreterin ihrer Studiengeneration, die das Kaffee trinken in der AIDA am Steffel ebenso liebt wie mit dem Fahrrad an der Alten Donau entlang zu fahren. Anja ist ein Digital Native, versucht aber den Gefahren von Oberflächlichkeit und Ablenkung durch die dauernde Vernetztheit des WWW mittels Nichtbegleichen der offenen Internet-Rechnungen (aus Geldnot oder Selbsttherapie?) zu begegnen. Nur selten, wenn Anja etwa von ihrer asiatischen Nachbarin zum Tee eingeladen wird und beim gemeinsamen Kochen merkt, dass sie nicht allein ist, dass Freunde Tipps und andere Sichtweisen geben können und man selbst einiges tun kann, um das eigene Leben glücklicher zu gestalten statt nur darauf zu warten, ist Anja bei sich – Denn das ist, wo sie wirklich hingehört!

Erfolgreich und achtsam leben, die eigenen Stärken (er-)kennen und selbstbewusst Entscheidungen treffen – Für Sie ein Thema? Schauen Sie doch mal bei uns vorbei!