Jobsuche für ALLESKÖNNER/INNEN – zu Schwächen zu stehen ist auch eine Stärke!
„Nix Halbes und nix Ganzes“, ist jemand, der irgendwie von allem ein wenig weiß und sich selbstdarstellerisch als Überflieger/in geriert. Das nützt bei Bewerbungen ebenso wenig wie im späteren Job. Klare Ansage, was man von der/m Arbeitgeber/in erwartet und was man einbringt, sind hochgeschätzt. In Zeiten der Performance-Kultur ist es authentischer, sich auf einige wenige Stärken zu beschränken und diese in den Vordergrund zu stellen!
Job-Wunderwuzzi gesucht – wer will noch mal, wer hat noch nicht?
Goethe ist angeblich einer, da Vinci und Stefan Raab auch: Ein Alleskönner!
Ob Wissenschaft, Literatur oder Medien, ob Natur, Philosophie oder praktische Lebenskunst – Es gibt Menschen, die (fast) auf jedem Gebiet gut zu sein scheinen. Blättert man durch so manche Stellenausschreibung, die an Jung-Akkademiker/innen und frisch graduierte Hochschulabsolventen/innen gerichtet ist, fühlt man sich manchmal daran erinnert. „Eierlegende Wollmilchsau gesucht mit drei Fremdsprachen fließend, Studium mit Auszeichnung in Mindestzeit, Praktika und Berufserfahrung“, lauten solche Job Offer.
Aber wer nimmt z.B. Goethes Farbenlehre ernst, einen dicken Wälzer voller pseudo-wissenschaftlicher Behauptungen, der heute gerade noch bei Vorträgen zur Wissenschaftsgeschichte erwähnt wird? Egal, bleiben einem doch „Faust“ und viele andere ruhmreiche Werke im Gedächtnis. Beim Multitalent Stefan Raab kennt man „TV Total“, weniger aber seine Zeit als wenig erfolgreicher Werbejingle-Macher. Nur weil viele alles Mögliche machen, heißt es noch lange nicht, dass es auch gut ist!
Da die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt unermüdlich den Wettbewerb vorantreibt, versucht Jede/r sich als der/die Beste hinzustellen. Das Zeitungaustragen, um mit 14 den ersten Walkman zu finanzieren, wird nach dem abgeschlossenen Publizistik-Massenstudium munter als erster Evolutionsschritt hin zur PR umgedeutet, die BILLA-Einschlichtung für die WG-Miete als Logistik-Ersterfahrung nach dem WU-Handelsdiplom.
Berufliche Karriere von Allroundern/innen – keine „g’mahte Wies’n“
Ob diese Selbstdarstellung – wird sie einem/r überhaupt abgenommen – wirklich förderlich ist, mag bezweifelt werden. Zum einen wird man gerne beim Wort genommen á la „Ach, Sie haben Ahnung von XHTML? Wir haben da gerade etwas…“. Egal, ob man in jungen Jahren nur kurz beim Geschwisterchen über die Programmierschultern geschaut und dies mutig als „IT-Grundkenntnisse“ in den CV deklariert hat. Dann zuzugeben, dass dies alles nicht so fundiert ist, wie es gülden glänzt, ist nicht nur peinlich. Wer will schon das Pickerl als Sprücheklopfer/in oder Schaumschläger/in haben?
Zum anderen aber schwebt auch das Mantra über einem/r, „wer alles irgendwie kann, kann nichts richtig!“. Das mag pauschaliert anmuten, hat aber einen wahren Kern. Nicht umsonst wuchern Spezialisierungen aus dem Boden, da die Wissensgesellschaft immer komplexer wird.
Auch beim beruflichen Aufstieg ist Allerkönnertum mitnichten immer hilfreich: „Den Müller, der ist super, den können Sie überall hintun!“ Solche Aussagen von Altpersonalern/innen sind selten geworden in Zeiten des Diversity Management, wo gerade darauf geachtet werden mag, dass alle genau ihren Fähigkeiten gemäß eingesetzt werden, um dort dann optimale Leistung zu erzielen und sich wohl zu fühlen.
Auch wünschen Chefs/innen sich – gerade bei vielen Mitarbeitern/innen – ein Gesicht, das mit wenigen Schlagworten belegt werden kann. Klingt funktionalistisch, ist aber vor allem in begehrten Großkonzernen so. Gibt es zwei bis drei besondere Kompetenzen, die Sie mitbringen und für die Sie verlässlich eingesetzt werden, verankert sich das (nicht nur bei Beförderungen) leichter im Boss-Gedächtnis – denn auch diese sind nur menschlich!
Haftet Ihnen und Ihrer Position so ein „Mascherl“ im positiven Sinne nicht an, dann schaffen Sie es sich selbst – durch die Kommunikation Ihrer Arbeitsleistungen, über das Einbringen Ihrer Meinung bei Sitzungen, oder mittels Ihres Angebots, bei ausgewählten Projekten (nicht willkürlich bei allen!) die Kollegen/innen freiwillig zu unterstützen.
Nur falls Sie wirklich eine Schwäche haben, die unverzüglich auszubügeln gerade alternativlos ist (z.B. spezielle SAP-Kenntnisse für den drohenden Budget-Jahresabschluss), tun sie es. Ansonsten versuchen Sie nicht, ihre „Mängel“ allesamt ein wenig zu verbessern und mit Gewalt auf einen „Geht-so-für-den-Hausgebrauch-Stand“ zu hieven. Forcieren Sie vielmehr ihre Stärken und setzen sie diese sichtbar ein. Ob Stefan Raab wirklich ein mies ausgebildeter Metzger ist oder da Vinci nicht richtig zuhören konnte, interessiert heute niemand mehr – warum wohl?!
Nicht perfekt, aber ausbaufähig und authentisch
Schon bei der schriftlichen Bewerbung gnadenlos ehrlich zu sein, traut sich fast Keine/r – schwebt das Damoklesschwert des Aussortiertwerdens doch immer über der Interessensbekundung. Extrem überspitzt findet sich hier eine Vorlage für einen Lebenslauf, der sich wahrlich von den Null-Acht-Fünfzehn-CV’s abhebt – mittels Ehrlichkeit. Spätestens im Bewerbungsgespräch sollte zwar mit Positiv-Attributen gepunktet werden, aber nicht um jeden Preis. Statt quantitativer Pauschal-Enumerationen von Soft Skills (Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität etc.) sollten Sie schon hier Prioritäten in Sachen ausgewählter Stärken setzen – wenn nicht bei sich selbst, wie sollte das dann später in der Führungsposition sein, wo oft alles etwas von Ihnen gleichzeitig wollen.
Auch die Antwort „Nein, das kann ich nicht“ bedarf weder eines hinzugefügten „leider“ (wieso auch?) noch eines demütigen Blickes nach unten. Schließlich wurden Sie unter Hunderten auserwählt zum Interview – also benehmen Sie sich auch so! Schließlich sind Souveränität und Überheblichkeit zwei verschiedene Paar Schuhe. Glattgelecktes Posing wirkt da wie ein weichgespülter Kiesel im Oberrheingraben, ohne Kanten glänzend und von der Flut überall hinspülbar – wollen Sie so jemand sein?! Machen Sie deutlich, was sie können und was nicht, genauso wie, was sie machen wollen und was nicht.
Jedes Bewerbungsverfahren ist immer ein Teil der Selbstfindung: Was will ich wirklich für einen Job tun? Wo sind meine Grenzen? Was bietet man mir da Spannendes an?
Die Klärung für mich selbst und damit auch die Berechenbarkeit meiner Persönlichkeit für die anderen erleichtert die spätere Personalentwicklung im Betrieb ebenso wie das eigene Standing am Arbeitsplatz. Stellt Sie der/die neue Vorgesetzte den Kollegen/innen mit Zuschreibungen vor, die Sie in der Kaffeepause erst wieder mühsam relativierend zurechtrücken müssen, knüpft man so nicht leicht Kontakte.
Ganz ehrlich: Wird Ihnen ein/e neue/r Wunderwuzzi-Kollege/in so präsentiert, denken Sie auch als erstes an Ihre eigene Minderwertigkeit und Überflüssigkeit; Darstellungskonkurrenz schießt dann ins Hirn statt ein echt gemeintes „Herzlich Willkommen!“ heraus. Offenheit für Neues ist gefragt und ein authentisches „Uji, das hab ich ja noch nie gehört!“ macht (wenn es wahr ist) auch kollegial sympathischer – verstellen muss man sich dann praktischerweise auch nicht!
Sie sind gerade in der Bewerbungsphase zwischen Selbstverbiegung und Stärkenbetonung? In unserem Workshop „(M) ein Job – Erfolg oder Zufall?“ gehen wir Ihrer Motivation gemeinsam auf den Grund und finden Ihren Traumjob ganz sicher!