26 Jun 2015

Urlaubszeit, Lebenszeit… – was ist mein perfekter Urlaub?

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Avatar-Urlaub – Persönlichkeit ja, Person nicht unbedingt!

Künstliche Charaktere, die einer Person an deren Stelle zugeordnet werden, kennen wir nicht nur aus Internet-Games. Auch außerhalb der virtuellen Welt werden sie mehr und mehr: Platzhalter, Stellvertreter, Aliase, die Dinge an unserer Stelle für uns tun – und nicht bloß die unliebsamen!

Wer keinen Mumm für Extremsport hat, kann sich z.B. in der Tiroler „AREA 47“ von einem Betriebspraktikanten „vertreten“ lassen nach eigenen, individuellen Vorgaben. Dann erhält man für einen Tag exklusiv ein Video über „sein Mega-Erlebnis“ zugeschickt – bevor dieses (dem Unternehmensmarketing zum Opfer fallend) als Internet-Download für alle sichtbar wird. Statt selbst im Kolosseum mit blutrünstigen Löwen zu fighten, lieber den Arena-Gladiatoren einflüstern was sie tun sollen (ich tun würde!) und mit Nüsschen von der sicheren Tribüne anfeuern – schon im alten Rom hat das Konzept prächtig funktioniert.
Wieso also nicht gleich von meinem Urlaubs-Avatar die Sandburg bauen lassen?

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Wer keine Zeit für eine Abenteuerkreuzfahrt hat, schaut sich Titanic an und fiebert von der Couch aus mit. Warum das funktioniert, hat auch ganz biologisch-neurologische Gründe: Unser Hirn löst Emotionen selbst dann aus, wenn nicht wir selbst etwas tun, wenn wir wissen, dass uns das Geschehnis faktisch nichts anhaben kann, ja sogar wenn alles ein rein fiktives Spiel ist! Deshalb stehen Spenden bei traurig aus Käfigen blickenden Hundebabys ebenso hoch im Kurs wie Ego-Shooter an der Konsole. (Un-) Echte Gefühle ohne Risiko!

Ich packe meinen Koffer, und nehme mit:
Mich selbst, meine Erfahrungen, meine Einstellung

Will man (Retro Old School) tatsächlich noch in Persona zum Urlaub aufbrechen, gar den eigenen Körper einer Ortsveränderung unterziehen, kommt einem dieses bekannte Kindergeburtstagsspiel in die Quere. Ob nun Hartschalen- oder Weichschalenkoffer, ob Trecking-Rucksack oder bloß Leichtgepäck: All dies hat (klarer Weise) etwas mit der Art des Urlaubs und dem Urlaubsziel zu tun, aber vor allem mit einem selbst! Anders als bei Avataren kann man weder beim Bungee-Jumping einfach auf den Pause-Knopf drücken noch (ohne Zeit- und Geldverluste) beim all-Inklusive Cluburlaub die betrunkenen Buffet-Plünderer/innen jeden Morgen ausblenden. Man trifft eine Entscheidung für den eigenen Urlaubsstil!

Urlaubsplanung schafft hier Abhilfe, und – wie im echten Leben auch – zeigt diese im Nachhinein, dass man sich meist über die unwichtigste Dingen viel zu viele Gedanken gemacht hat, die wichtigsten manchmal sogar ganz vergessen hat. Einen Urlaub zu vorzubereiten mag für die einen Hotelzimmer-Aufteilungsdiskussion und Impfmarathon bedeuten, für die anderen geballte Vorfreude auf neue Erlebnisse, auf das Abschalten-Dürfen am ruhigen Sandstrand und Spaß an der Vorstrukturierung der Mietwagenroute.
Manche nutzen gar den Urlaub als Kontrapunkt zu deren sonstigem Leben: Das Klischee vom biederen Postbeamten auf Mallorca kommt ebenso wenig von ungefähr wie die Aussteiger-Stories der „Thru-Hiker“ auf dem Appalachian Trail sich ähneln. Kurze Zeit ausbrechen aus dem Alltag, etwas ausprobieren (und scheitern!) dürfen ohne Job- oder Geld-Konsequenzen im „echten“ Leben… – Aber welches ist das echte? Putting it in a (nut) shell: Erzähl‘ mir von deinem Urlaub (-splan), und ich sag‘ dir wer du bist!
put it in a (nut) shell

Holiday Mode – Wie sich meine Zeitwahrnehmung (oft nur dann) reguliert

Kaum hat man den „Urlaubsmodus“ erreicht, ändert sich auch das subjektive Zeitempfinden bei vielen. Das in westlichen Industriekulturen häufig antreffende „clock-time scheduling“, d.h. eine Organisation á la „7 h Aufstehen, 7-8 h Frühstück, 8-9 h Duschen/Waschen/Anziehen“ in kleinen Zeitfenstern, weicht zurück. Das „event-time scheduling“ greift mehr und mehr Platz, mithin das z.B. in Südamerika, im Mittleren Osten oder im südlichen Europa öfter anzutreffende Ablaufplanung und Erleben eines Ereignisses bis zu dessen Ende á la „Aufstehen nach dem Wachwerden, bei Appetit Frühstück, vor dem Weggehen Duschen/Waschen/Anziehen“.

In beiden Fällen ist das Ergebnis ähnlich, auch die Effizienz unterscheidet sich nicht maßgeblich. Studien zeigen aber nicht nur, dass Denken in Zeitfenstern den unbewussten Druck so stark erhöhen kann, dass man sich viel mehr dem Zufall unterworfen sieht als das Gefühl, Einfluss auf die Ereignisse zu haben. Man ist beim „clock-time scheduling“ stets versucht, industriell-mechanistisch Zeit auszunutzen, statt diese zu erleben und in ihr zu sein. Welcher Style passt wohl besser zum Urlaubsfeeling? Genau! Und wieso fällt man danach innerhalb kürzester Zeit wieder zurück in den Alltagstrott der Job-Zahnräder und die Urlaubserinnerung vegetiert nur noch in der untersten Facebook-Timeline oder der Kaffeepause mit den Arbeitskollegen/innen dahin („Ah, du warst auf Urlaub – Und, wie war’s?!“). Manche bleiben selbst im Urlaub im bewährten Modus: Besichtigungstour mit 5-minütigen Fotopausen fürs Album statt still den Sonnenuntergang genießen und der Welt achtsam zuzuhören.

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„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen…“ – Übung: „Reise-Dystopie

Diese Anfangssequenz aus M. Claudius „Urians Reise um die Welt“ (1786!) kennt fast Jede/r, das Ende aber kaum: „Und fand es überall wie hier, fand überall’n Sparren. Die Menschen grade so wie wir, und ebensolche Narren.“
Wie Urlaub und Leben zusammenhängen, kann man u.a. in unserem Workshop „Reise zu mir selbst – die eigene Ferne schreiben“ dichtend erkunden, ohne ausgewiesene/r Poet/in sein zu müssen. In der Übung: „Reise-Dystopie“ denkt sich jede/r innerhalb von 15 Minuten eine 2-wöchige Urlaubsreise in ein fiktives Land aus sowie der eigenen Persönlichkeit wichtige Urlaubsbedingungen: Was darf das Ganze maximal kosten? Will ich schnell Fliegen oder gemütlich mit dem Schiff anreisen? Komme ich mit meinem eigenen Wohnwagen, trampe mich durch oder bleibe an einem Ort? Wohne ich im Zelt, mache Couch-Surfing oder lass‘ mir im Hotel die Kissen aufschütteln? Suche ich Sonne und Strand, Snow-Boarding oder City-Hopping? Buche ich das meiste fix oder will flexibel sein?… Fünf der (subjektiv) wichtigsten Urlaubsbedingungen wird in weiteren 10 Minuten ein persönlicher Charakterzug oder eine Eigenart im Alltagsleben gegenübergestellt (z.B. VISA muss unbedingt vorher besorgt sein = Sicherheit, Vermeidung von Bürokratie etc.), und los geht’s:
Eine Utopie, also etwas Fantastisches, so weit weg dass es momentan nur in Gedanken zu verwirklichen ist, kann gut ausgehen („Eutopie“) oder weniger gut („Dystopie“). Innerhalb von 20 Minuten gilt es jetzt, ein zukunftspessimistisches Szenario vom eigenen Traumurlaub zu entwerfen, in dem – trotz der Urlaubsbedingungen von oben – wie der Zufall es will einfach alles komplett daneben geht! Da der Urlaub völlig fiktiv misslingt, darf die Geschichte ruhig ein bisschen skurril, lustig, übertrieben oder mit Schadenfreude garniert werden. Das Übungsblatt zum praktischen Self Coaching gibt’s übrigens hier zum Gratis-Download: REISE-DYSTOPIE!

Haben Sie Fernweh nach ihrer Persönlichkeit? Dann besuchen Sie doch unseren Schreibworkshop „Reise zu mir selbst – in die Ferne schreiben“. Zusammen mit der 1. Mariahilfer Bezirksschreiberin, Mag. Petra Öllinger, schöpfen Sie kreativ schreibend Kraft aus der eigenen Lebensreise – keine Vorkenntnisse nötig!

Wie so ein Schreibworkshop abläuft, erfahren sie z.B. HIER bei „Mrs. Hyde talks culture“. – Denn der nächste (Kultur-) Urlaub kommt gaaaaaanz bestimmt!