Vom Studium to real life – im Interview mit Vincent Cvingl
Eigentlich kennen sich Vincent und René „nur“ über die Arbeit in einem Beratungsinstitut – und das die meiste Zeit online. Vincent begann dort als Praktikant und René als Franchisee. Dann stellten beide fest, dass sie vieles gemeinsam haben, und kamen in den Austausch. Über das Erwachsenwerden am Land, was Vielseitigkeit und Konsequenz miteinander zu tun haben, und wie Projektmanagement mit der Generation Y und Z funktioniert, lesen Sie hier:
René: Lieber Vincent, schön dass wir heute Zeit für ein Gespräch gefunden haben. Magst du ein bisschen davon erzählen, was du beruflich bzw. lerntechnisch so machst gerade?
Vincent: Ja, freut mich auch sehr! Ich habe just meinen Bachelor in Psychologie abgeschlossen und arbeite als freier Mitarbeiter vor allem im Marketing bei der Lukas Bischof Hochschulberatung, wo du ja inzwischen Franchise-Partner bist. Außerdem bin ich in der Verhaltensanalyse beim Freiburg Institut tätig und fange dort bald ein Traineeship an.
René: Das heißt, Studieren ist jetzt erstmal vorbei?
Vincent: Ich habe schon vor, noch einen Master in Arbeits- und Organisationspsychologie draufzusetzen. Ich könnte zum Beispiel dann an diesem Institut auch meine Masterarbeit mit Praxisbezug machen, denn ich will später Coach, Trainer, Consultant oder Unternehmensberater werden. Aber ein drittes Standbein habe ich auch.
René: Uj, noch mehr? Was denn?
Vincent: Ich mache Social Media Management bei einer Vermögensberater-Geschäftsstelle, und jetzt berate ich den Gründer und entwickle mit ihm Trainingsdesigns.
René: Wow, das klingt aber schon recht konkret beruflich. Stehen auch privat gerade „Projekte“ an?
Vincent: Na ja, ich habe eine Freundin, aber nicht um nicht allein zu sein. Vielmehr ist mir meine Beziehung sehr wichtig und ich stelle daran hohe Anforderungen. Oft sind aber auch sonstige Job-Ideen mein privater Ausgleich, z. B. plane ich gerade einen kleinen Online-Shop aufzumachen.
René: Hohe Ansprüche an die Beziehung bedeutet hoher Kommunikationsaufwand?
Vincent: Ja, zum einen das und auch dass ich mich immer frage, welche Erwartungen ich eigentlich konkret habe. Nach einiger Zeit in einer Partnerschaft entstehen eben gewisse Dynamiken, weshalb ich mich auch viel mit mir selbst beschäftige, zum Beispiel über Bücher zu dem Thema, durch Gespräche und Selbstflexion.
René: „Beziehung“ bedeutet für deine Generation vermutlich etwas anderes als für meine. Welche Herausforderungen hast du gerade, die du als symptomatisch für deine Generation sehen würdest oder die du auch bei anderen in deinem Umfeld wahrnimmst?
Vincent: Ich würde mich und mein Umfeld jetzt nicht als typisches Beispiel meiner Generation sehen wollen. Aber was ich öfter – auch bei mir selbst – sehe, ist eine gewisse Diskrepanz. Auf der einen Seite geht es darum, das junge Leben zu genießen und auf der anderen aber auch, sich beruflich auszurichten und hier erste Erfolge zu sammeln. Da bin ich selbst manchmal hin- und hergerissen, und es scheint auch wenig Vorgaben zu geben, was da wann richtig oder falsch ist. Manche meiner Freund/innen schwanken zwischen sehr viel Freiheit und extremem Ausbildungs- und Arbeitspensum. Ein Arbeitsmodell wie „nine to five“ fällt jedenfalls in meinem Umfeld und auch bei mir nicht auf fruchtbaren Boden.
René: Was wäre denn fruchtbar aus deiner Sicht? Und was ist dafür wichtig? Eine sinnstiftende Beziehung habe ich schon rausgehört, und einen Lernbezug bei deinem Beruf wohl auch.
Vincent: Ganz ehrlich? Finanzielle Freiheit, auch wenn das oft negativ konnotiert wird, gerade in meiner Umgebung hier in Freiburg. Denn Zeit gegen Geld zu tauschen, ist definitiv nicht meins. Zum Beispiel will ich später mal ein wirklich präsenter Vater sein, will die Möglichkeit viel zu reisen haben, und will Raum haben, um mich weiterzuentwickeln. Dafür will ich die nötige Zeit haben und brauche ein finanzielles Polster. Aber Arbeit nur zum Profit reicht dafür nicht, sondern sie muss selbst sinnstiftend sein.
René: Gab es eine Lebenserfahrung oder eine besondere Erkenntnis, aus der du das gelernt hast, so zu denken?
Vincent: Nun, es gab mal einen Wendepunkt während meiner Schulzeit, denn eigentlich wollte ich anschließend Medizin studieren. Dann bin ich über das Bodybuilding zur Literatur über Persönlichkeitsentwicklung gekommen.
René: Ein witziger Umweg.
Vincent: Ja, denn beim Sport geht es oft um Selbstdisziplin und mentale Stärke. Und so habe ich erst gemerkt, wie viel die Beschäftigung mit mir selbst und mit Persönlichkeitsentwicklung mir hilft, mein Leben zu steuern, statt bloß zu reagieren. Insgesamt haben auch die Lebensumstände in meinem ehemaligen ländlichen Umfeld und mit meiner Familie dazu beigetragen. Dort galt oft das Motto „Arbeiten um des Arbeitens willen“. Wenn man aber bei anderen sieht, dass sie nur auf Wochenenden und Urlaubstage hinarbeiten, zeigt mir das keine sinnstiftende Tätigkeit an.
René: Könntest du dir vorstellen, auch etwas ganz anderes z. B. beruflich oder privat zu machen als jetzt in deiner Vorstellung ist? Zum Beispiel, alles sein zu lassen und in ein indisches Ashram zu gehen?
Vincent: Nun, im Moment fühlt sich meine Richtung ganz gut an und ich bin optimistisch. Übrigens will tatsächlich ab April nächsten Jahres für einige Monate auf Reisen gehen!
René: Gibt es einen Wunsch oder einen großen Traum, was du im Leben mal gemacht haben willst – außer, viel von der Welt gesehen zu haben?
Vincent: Ich würde gerne später mal ein Unternehmensumfeld schaffen, das eine Win-Win-Situation für Firma und Mitarbeiter/innen und alle anderen ist. Indem es profitabel ist, ohne dass jemand ausgebeutet werden muss, indem es auch etwas für die Gesellschaft bringt, und ohne dass es der Umwelt schaden muss. Das alles als Initiator unter einen Hut zu bringen, fände ich sehr cool.
René: Darin erkenne ich schon eine Art Vision mit Entrepreneurship-Zugang, oder?
Vincent: Ja, vom Denken her ist der unternehmerische Samen schon gepflanzt in meinen Kopf, das stimmt! Aber du bist ja schon lange in der beruflichen Selbständigkeit. Erzähl doch mal darüber.
René: Bei mir zieht sich der akademische Bezug bei fast allem wie ein roter Faden durch. Lange als Führungskraft und Wissenschaftler an Hochschulen gewesen, widme ich mich mit der ABSOLVENTENAKADEMIE gerade dem Übergang vom Uni-Abschluss in den Job, die Familiengründung oder zur nächsten Weiterbildung. Bei meiner Arbeit mit der „Lukas Bischof Hochschulberatung“ stehen die Lehrenden, Forschenden und Mitarbeiter/innen der Hochschule selbst im Fokus. Als Trainer, Coach und Berater wie bei meinen zahlreichen Ratgeberbüchern herrschen Schwerpunkte wie Change- und Projektmanagement, Personal und Führung, Karriere und Persönlichkeitsentwicklung vor. Obwohl ich Jurist bin, stelle ich mich da breit auf. Das schafft für die Herausforderungen meiner Kund/innen interessante Synergien, und macht es auch für mich spannender und abwechslungsreicher.
Vincent: Ja, da sind wir uns glaube ich sehr ähnlich. Nur eine Sache machen, das würde mich auf die Dauer auch langweilen, glaube ich. Was bietet ihr an der ABSOLVENTENAKADEMIE alles an?
René: Es sind offene Workshops über unsere Homepage zur Persönlichkeitsentwicklung buchbar, die sich gezielt auf die Lebenssituation junger Menschen nach dem Hochschulabschluss ausrichten. In Unternehmen führen wir Inhouse-Kurse durch, zum Beispiel um deren junge High Potentials zu halten und weiterzuentwickeln. Oder mit dem HR, um die Personalentwicklung zeit- und generationengerecht zu gestalten. Teilweise arbeiten wir auch direkt mit den Career Centern und Alumni Clubs der Hochschulen zusammen, um deren Absolvent/innen auf den Übergang vorzubereiten. Dabei geht es oft darum, das Mindset der Jüngeren (Gen Y und Z) mit dem der Älteren (Personaler, Vorgesetze) zusammenzubringen, etwa in Punkto agile Remote-Arbeit, flexible Gleit- und Teilzeit, Anreizsysteme und vieles mehr.
Vincent: Mich interessieren diese Generationen-Switches auch total, zum Beispiel beim Übergang von der Schule an die Hochschule ist es mir besonders aufgefallen. Was waren denn die Übergänge in deinem Leben, die dich am weitesten gebracht haben?
René: Also, als Deutscher vor über 10 Jahren nach Wien zu kommen, war sicherlich einer. Hier habe ich gemerkt, dass ein großstädtisches Umfeld zentral für meine eigene Zufriedenheit ist, etwa was kreatives Mindset und kulturelle Vielfalt anbelangt. Auch gerne mit ein paar „extravaganten“ Menschen und Anschauungen, woran man sich abarbeiten und selbst ausprobieren kann. In einer Dorfgemeinde hätte ich Angst, irgendwann zu angepasst und zu sehr Teil eines kleinbürgerlichen Systems zu werden, ohne es selbst noch mitzubekommen.
Vincent: Du bist auch auf dem Land aufgewachsen?
René: Ja, und das war als Kind herrlich in der Natur. Aber heute würde es mich in meiner Selbständigkeit zu sehr einengen, befürchte ich. Deswegen war die berufliche Selbständigkeit, von der wir schon sprachen, vielleicht der zweite wichtige Übergang in meinem Leben. Ich hatte nach langer Zeit im öffentlichen Hochschulmanagement gesehen, dass ich viel lieber mit Kund/innen projektorientiert arbeite. Den Bildungsbezug zur Hochschule als solchen wollte ich nie missen, aber nicht organisatorisch weiter Teil davon sein – das ist wirklich eine ganz eigene Kultur in einer solchen Organisation. Ich bewundere die vielen tollen Menschen, die dort Großartiges leisten, aber für mich war es irgendwann nicht mehr das Richtige.
Vincent: Denkst du, du hast hier etwas aufgegeben?
René: Ich sehe es jetzt eher als Vorteil, da ich die Bedingungen und Herausforderungen von Studierenden, Absolvent/innen und Hochschulpersonal nun von beiden Seiten aus der eigenen Praxis kenne. Insgesamt bleibt für mich das Spannendste, mit jungen, gebildeten und neugierigen Menschen zusammenzuarbeiten.
Vincent: Wie hat sich der Selbständigkeitsgedanke bei dir entwickelt? Hattest du es irgendwann einfach satt oder kam das eher schleichend?
René: Ein ausschlaggebender Punkt war wirklich, dass es mir ab einem gewissen Zeitpunkt genug war, Angestellter in solch einem System zu sein. Zwar habe ich innerhalb der damaligen Organisation noch Vieles versucht, bin auf meine Vorgesetzten zugegangen, habe Führungskräfte-Coachings absolviert und einiges mehr. Aber irgendwann kam dann der Moment, dass ich einfach raus wollte.
Vincent: Das heißt, du hast „hingeschmissen“?
René: De facto schon, ja. Nicht die beste Voraussetzung für eine Firmengründung nach dem Entrepreneurship-Lehrbuch, aus der Flucht heraus eine Firma aufzubauen, oder?! Und anfangs war das auch schwierig, weil ich mental null bereit dafür war. Aber letztlich war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Vincent: Was waren denn grundlegende Lektionen, die du im Leben gelernt hast?
René: Talent, Begabung und Können sind meiner Erfahrung nach schön, aber zweitranging für Erfolg im Leben, ganz egal, ob beruflich oder privat. Da sage ich als jemand, der selbst unzählige Studienabschlüsse und Weiterbildungen gemacht hat – vielleicht ist das als Trainer in der Erwachsenenbildung auch eine Berufskrankheit schlechthin. Aber die Bereitschaft persönlich zu wachsen, selbst wenn es wehtut und sich nicht auszuruhen, finde ich zum Beispiel viel entscheidender. Ich bin ein großer Fan des Effectuation-Zugangs, denn dann denkst du automatisch viel kooperativer und begreift Zufälle und Neues nicht als Hindernis, sondern Chance. Ganz generell sehe ich bei Menschen, die entscheidungsfreudiger und proaktiv sind und die konsequent ihren Weg gehen, mehr Erfolg als bei denen, die nur gute (Ausbildungs-) Voraussetzungen haben. Selbstmotivation und Fokussierung spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie, dass man sich selbst und seinem Umfeld möglichst direkt deutlich macht, was man denkt, fühlt und will. Manchmal weiß man es selbst nicht so genau – woher sollen die anderen es dann wissen?! Und manchmal weiß man es, kommuniziert es aber nicht und geht einfach davon aus, für das Gegenüber ist alles klar. Beide Ebenen müssen zusammen erfüllt sein, damit erfolgreiche Zusammenarbeit funktioniert.
Vincent: Und das bedeutet ja auch, dass man dafür Verantwortung übernehmen und Energie investieren muss, oder?
René: Absolut – Verantwortung mir selbst und den anderen gegenüber!
Vincent: Klarheit nach außen, wie nach innen und Entscheiden nehme ich davon vor allem mit. Ich bin auch eine Person, die ganz viel interessiert, aber wenn du überall hinrennst, kommst du letztlich nirgends richtig an. Wenn du sagst, Ausbildungen sind eher zweitranging für Erfolg im Leben, welche würdest du trotzdem sagen, haben dich weitergebracht?
René: Na ja, fast alle. Aber sie waren eben nicht hinreichend für Erfolg. In Erinnerung ist mir meine „Train-the-Trainer“-Ausbildung geblieben. Selbst wenn man den Beruf als Trainer/in der Erwachsenenbildung nicht ausüben will, lernt man da so viel über Gruppendynamik, Kommunikation, Führung, und bekommt sich selbst gespiegelt – Das ist für fast alles hilfreich im Leben. Auch Kurse über agiles Denken und Arbeiten waren mir eine große Hilfe, ob jetzt eine Ausbildung zum SCRUM-Master im Projektmanagement oder eine Fortbildung zum Design Thinking. Gerade in der heutigen VUCA-Welt helfen solch agile Zugänge einfach, um Freiräume für effektive Zusammenarbeit und meine Selbstorganisation zu schaffen.
Vincent: Stichwort Projektmanagement, da wir ja beide auch projektorientiert zusammenarbeiten – Was macht denn eine/n gute/n Projektmanager/in für dich aus?
René: Zunächst einmal, dass man sich in die davon betroffenen Menschen und Gruppen hineinversetzt, kundenorientiert denkt und echten Beziehungsaufbau zu Einzelpersonen betreibt – Projekte werden von Menschen für Menschen gemacht. Dabei unterschiedliche Interessen aller unter einen Hut zu bringen und auch dafür Kommunikationsaufwände zu berücksichtigen, ist – wie wir Projektmanager/innen sagen – ein gelungenes „Stakeholdermanagement“. Letztlich bedeutet Projektmanagement immer General Management, d. h. es ist wie im Führungsjob viel wichtiger, das „Big Picture“ im Auge zu behalten, Prozesse zu moderieren und Rahmenbedingungen herzustellen, statt Mikromanagement im „Klein-Klein“ betreiben zu wollen. Und last but not least verstehe ich Projektmanagement als eine spezielle Form von Risikomanagement. Ein neues Vorhaben – ob das der Business Case oder das private Weiterbildungsprojekt ist – kann scheitern. Ich mag versuchen, die Komplexität zu reduzieren, zu planen und zu steuern, aber unerkennbare Gefahren, Krisen, viele Probleme und abzuschätzende Risiken gehören dazu. Viele verstehe ich selbst bei bester Anstrengung als Projektmanager/in nicht und mache dauernd Fehler! Akzeptanz dessen und Demut sind dabei für mich Kernkompetenzen, die gleichermaßen vor Selbstausbeutung und Selbstüberschätzung schützen.
Vincent: Lieber René, danke dafür. Davon kann ich ganz viel mitnehmen!
René: Ich habe zu danken, lieber Vincent. Und ich bin mir sicher, dein Weg wird ein toller sein!