Warum überhaupt zitieren? – Von diebischen Elstern und Pfauenfedern
Im Interview mit Frau Dr. Natascha Miljković, Gründerin von „Zitier-Weise“, der österreichischen Agentur für Plagiatsprävention. Ein Experteninnen-Talk über Gedankendiebe, Studium und ein Leben für die formelle Exzellenz:
(1) Sie sind promovierte Zoologin, haben u.a. auch im Bereich Public Relations gearbeitet, für den Aufbau einer wissenschaftlichen Datenbank, als Editorin, betreiben Wissenschaftsberatung, halten Workshops und Vorträge zu so unterschiedlichen Themen wie Plagiatsprävention bis Zeit- und Selbstmanagement und Networking… – War Ihre Karriere so geplant oder beschreiben Sie sich einfach als vielseitig?
Das mag ein wenig seltsam wirken, da ich gelegentlich auch in diesem Bereich vortrage, wie Studierende und Jungakademiker/innen ihre Karrieren entwickeln können, aber meine eigene Karriere war nicht geplant! Der Traum der Maturantin, die ich vor bald 20 Jahren einmal war, sich als Meeresbiologin zu behaupten, war eine Zeit lang wirklich sehr gelungen. Ich habe als Postdoc einige Projekte in diesem Bereich durchgeführt, bin viel gereist, habe internationale Experten/innen kennen lernen dürfen. Doch das „Gesamtpaket“ entsprach letztlich nicht mehr meinen ursprünglichen Ideen darüber. Dann kamen manche Wendungen als tolle Zufälle daher, anderes war gründlich geplant, wie die Gründung meiner Agentur. Und ich habe die Chancen ergriffen. Ich denke, die Mischung aus Können, Glück und harter Arbeit macht’s! Und: Man sollte immer auf sein Herz hören! Wenn sich etwas nicht mehr stimmig anfühlt, muss der „Reality Check“ erfolgen und letztlich auch Konsequenzen gezogen werden. Für mich war das, aus der klassischen Grundlagenforschung herauszugehen, meine vielen Zusatzausbildungen und Skills zu nutzen und etwas Eigenes – meine Agentur „Zitier-Weise“ – daraus zu machen. Diesen Schritt bereue ich bis heute nicht!
(2) „Man kann sich zwar mit fremden Federn schmücken, aber man kann nicht mit ihnen fliegen!“. Ist es für Sie ein Zufall, dass dieses Zitat gerade von Gerhard Uhlenbruck stammt – einem naturwissenschaftlichen Kollegen von Ihnen?
Leider ist das kein Zufall! In den Naturwissenschaften sind tatsächlich deutlich mehr akademische Unredlichkeiten möglich als in anderen Fachgebieten. Das liegt an der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Fragestellungen anhand praktischer Untersuchungen: Sabotage im Labor, Datenfälschung, Abbildungsmanipulation – das alles kann fast nur in den Naturwissenschaften vorkommen. Plagiate sind da viel universeller anzutreffen.
(3) Zur wissenschaftlichen Ethik zählt auch das Phänomen des „Ghostwritings“ – Überspitzt gesagt, hilft eine handwerklich gut gemachte Auftragsarbeit doch eigentlich, falsche Zitate und schlampige Recherche zu vermeiden, oder?
Nein, das vermeidet nichts, im Gegenteil! Was es verhindert ist, dass Studierende die Skills lernen, die es braucht, um relevante Informationen zu sammeln, einen Zeitplan einhalten zu können, ungünstige Begebenheiten auszuhalten und Kraft des eigenen Könnens zu überwinden sowie ein fertiges Produkt, eine Bachelor- oder Masterarbeit, nach den jeweiligen gegebenen Richtlinien abzuliefern – Alles also auch enorm wichtige Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt! Ja, es kann beim eigenständigen Verfassen schon einmal schlecht paraphrasiert oder ein Zitat vergessen werden, vielleicht sogar bewusst plagiiert werden, doch gibt es bei Korrekturen immerhin die Chance auf den Lerneffekt.
All das nimmt man sich selbst, wenn man akademische „Ghostwriter/innen“ engagiert. Das sind auch die Gründe, warum ich dafür plädiere, dass auch Arbeitergeber/innen dringend auch auf die akademische Redlichkeit ihrer zukünftigen Mitarbeiter/innen achten sollten, sonst können sie die Skills, die mit einer Abschlussarbeit erworben werden sollten, nicht nutzen. Da muss die Wirtschaft einfach deutlich achtsamer werden, damit wäre auch Hochschulen sehr geholfen. Wer sich da noch getraut Mist zu bauen, weil sie/er schlampig arbeitet oder das zitieren zu locker nimmt, der verbaut sich nicht nur das Diplom, sondern auch die spätere Karriere mit Sicherheit. Wer würde so etwas dann noch riskieren?
(4) Die wenigsten Plagiate rühren wohl von böser Täuschungsabsicht her denn fehlender Sensibilisierung, mangelnder akademischer Ausbildung in diesem Bereich und unter Zeitdruck leidender Genauigkeit… Alles nur Ausreden oder sagt „Plagiarismus“ tatsächlich (auch) etwas über die Persönlichkeit dieses Menschen aus?
Völlig richtig, bei den Studierenden überwiegen die von Ihnen angeführten Hintergründe tatsächlich, weswegen Plagiate somit häufig unbeabsichtigt sind! Besonders kritisch ist das oft fast völlig fehlende Erlernen des richtigen Umgangs mit wissenschaftlicher Literatur und von Erläuterungen, warum man zitieren muss.
Ich möchte das Problemkind Plagiate keinesfalls kleinreden und Intentionen beschönigen. Plagiate sind ein riesiges Problem an Hochschulen weltweit. Trotzdem schenkt man den einzelnen „schwarzen Schafen“ meist immer noch zu viel Aufmerksamkeit, anstatt die genannten und einige andere Probleme nachhaltig zu bearbeiten. Zudem darf man nicht vergessen, dass die zum Teil hohen Rückziehungsraten in wissenschaftlichen Journalen auch von Plagiaten in Artikeln herrühren, und diese werden ja von Wissenschaftlern/innen geschrieben und nicht von Studierenden! Man kann durchaus annehmen, dass diese Experten/innen wissen, was ein Plagiat ist und wie man es vermeidet. Wieso schreiben sie dann dennoch welche?! Und wieso finden das deren Hochschulen als deren Arbeitgeberinnen nicht ungeheuerlich?! Was machen wir damit?! Alles noch völlig offen!
Es gilt vereinzelt die Meinung, dass manche Fachbereiche bestimmte Persönlichkeiten anziehen, das sind z.B. Jus/Jura und Wirtschaft, die ehrgeiziger sind, zu mehr Risiko und somit auch zu mehr Unredlichkeiten bereit sind. So pauschal ausgedrückt kann ich das nicht gutheißen, das ist unfaire Polemik!
(5) Was würden Sie jungen Lehrenden raten, die sich mit befristeten Anstellungen durchhangeln, dem Publikationsdruck ausgesetzt sind und oft in Bergen von zu betreuenden Bachelor- und Masterarbeiten „untergehen“?
Auf sich selbst acht zu geben und die Prioritäten gut zu setzen! Im derzeitigen System ist Punkt 2 essentiell, da Publikationen zu besseren Anstellungen (Punkt 1) verhelfen. Und dafür ist es enorm wichtig, selbst erst einmal korrekt zu arbeiten und redlich zu publizieren. Leider werden Lehre und die Betreuung von Studierenden zurzeit sehr unterbewertet. Da kann man meist allerdings nicht aus, eine gute persönliche Zeiteinteilung und klare Anweisungen an Studierende sind hier wichtig, um nicht auszubrennen. Auch selbstkritisch zu sein und gelegentlich innezuhalten und sich zu fragen, ob es das wirklich ist, oder ein anderer Weg vielleicht nicht genauso viel oder gar mehr Spaß machen würde, ist nicht verkehrt.
Zur Betreuung an sich ist zu sagen, dass die Vorbildwirkung der eigenen redlichen Arbeitsweise, das Kommunizieren von kritischen Fragestellungen, eine konstruktive Fehlerkultur und das ordentliche Erstellen von Skripten und Präsentationen ausnahmslos immer mit Copyright-Angaben bei Studierenden durchaus ankommt und auch nachwirkt. Das ist nicht zu unterschätzen.
(6) Anders als z.B. im anglo-amerikanischen Raum ist Ihr Beruf der „Wissenschaftsberaterin“ bei uns noch eher unbekannt. Zeigt sich darin Ihrer Meinung nach etwas über die Wertigkeit von wissenschaftlicher Integrität insgesamt bei uns?
Da ich das amerikanische Hochschul-System mehrere Jahre lang mehrmals live erleben durfte, weiß ich, dass es einen Unterschied in der Mentalität an sich gibt. Amerikanische Hochschulen haben eine andere Einstellung zu Studierenden, das ist systembedingt, denn ein Studium ist in den USA anders als in Österreich oder Deutschland von Studierenden sehr teuer erkauft. Dadurch ergibt sich ein anderes, service-orientiertes Lehren, Professoren/innen sind ansprechbarer und Studierende nehmen das sehr gerne wahr. Außerdem herrscht in den USA allgemein eine komplett andere Einstellung zu Fehlern, etwas falsch zu machen ist die erklärte Chance es beim zweiten Mal besser zu können. Auch „Science Counsellors“, also „Wissenschaftsberater/innen“, zu Rate zu ziehen und sich zu informieren, ist üblich.
Klar, das Thema wissenschaftliche Redlichkeit bzw. Integrität ist sehr heikel, da es sehr tief in vielen internen Strukturen verankert liegt (z.B. der Lehre, der strategischen Ausrichtung der Hochschule usw.). Da ist man in Europa noch wenig bereit, Beratungen einzuholen. Es ist ein Gebrechen, das unangenehm ist und man keinesfalls gerne zugibt, mitunter auch sich selbst gegenüber nicht – Vogel Strauß lässt grüßen! Warum es dennoch klappt und ich so etwas für Mittelschulen (für die vorwissenschaftliche Maturaarbeit VWA) und Hochschulen anbieten kann, ist, weil es kaum intern so langjährige Erfahrungen mit Plagiatsdetektion und wissenschaftlicher Ethik gibt wie ich sie mitbringe. Gerade in Zeiten von Rating-Agenturen, ISO-Zertifizierungen und Exzellenzansinnen ändert sich die Lage allerdings deutlich, und mein wohlwollend-kritischer Blick einer Outsiderin wird nun als sehr hilfreich empfunden.
(7) Sie engagieren sich ehrenamtlich u.a. bei den „Offenen Lernräumen“, eine kostenlose Nachmittagsbetreuung für Kinder von 10 bis 14 Jahren, und dem „Wiener Bücherschmaus“, einem Verein für Leseförderung und Buchkultur. Warum liegt Ihnen die Bildungsförderung von Kindern und Jugendlichen persönlich so sehr am Herzen?
Ich stamme aus einer der vermeintlich „bildungsfernen Schichten“: Mein Vater war einfacher „Gastarbeiter“ und meine Mutter „nur“ Hausfrau. Für beide war gute Bildung leider unerreichbar, nichts wollten sie daher für mich und meine drei Geschwister sehnlichster. Beinahe hätte man ihnen jedoch ausgeredet, mich auf ein Gymnasium zu schicken, obwohl ich zu den besseren Schülern/innen meiner Volksschulklasse gehörte. Das müsse für ein „Ausländerkind“ nicht unbedingt sein, sagte eine Lehrerin damals. Ich bin aus Angst vor Repressalien nicht einmal zweisprachig aufgewachsen! Das finde ich bis heute sehr schade. Trotzdem sagte mir ein anderer Lehrer nochmals, so „etwas“ wie ich gehöre nicht auf ein Gymnasium. Ich bin trotzdem geblieben und habe es geschafft. Das hat mich ungemein geprägt!
Bildung und besonders Bildungsgerechtigkeit liegen mir alleine aufgrund meiner persönlichen Geschichte schon sehr am Herzen, denn an diesen Einstellungen „bildungsfernen“ Kindern oder solchen mit Migrationshintergrund gegenüber hat sich seither leider nur wenig geändert. Das höre ich von Kindern auch heutzutage immer wieder einmal. Es macht mich wirklich traurig und wütend, denn ich bin eine Rebellin geblieben, wie damals, als ich mich durchs Gymnasium getrotzt habe. Das kann jede Schülerin und jeder Schüler – wenn sie es nur genug wollen – auch! Und gerne mit ein klein wenig Zuspruch von Menschen wie mir.
Einer der Zugänge zu Bildung ist das Lesen. Ich bin der Meinung, so lernt man zusätzlich zu den vielen Informationen auch neugieriger, kritischer und geistig wendiger zu sein. Was ist heute wichtiger als das!? Zum Glück habe ich viele liebe Freunde/innen mit fantastischen Ideen, und so bauen wir seit Beginn des Jahres den „Wiener Bücherschmaus“ auf. Der Zuspruch aus der Bevölkerung ist unglaublich groß, einfach überwältigend! Wir sind dankbar und freuen uns darüber sehr. Ja, Bücher sind so viel mehr als eine günstige Wegwerfware der Unterhaltungsindustrie. Bücher sind für mich positive Energie. Nutzen wir sie gemeinsam!
Möchten Sie Ihren wissenschaftlichen Text von einer Expertin extern plagiatsprüfen lassen vor Einreichung? Wollen Sie einen spannenden Workshop zum Thema überfachliche (Schlüssel-) Qualifikationen oder einen interessanten Kurs zu „Wissenschaftliches Arbeiten“ und „Plagiate vermeiden“ besuchen? Dann Sie hier richtig: